Bottwartalbahn Bottwartalbahn

Der Südbahnhof im Untergrund
Modulanlage Bottwartalbahn in Betrieb 


Nicht für die Schule lernen wir: Die Schüler am „RMG“ gehen fachmännisch mit dem Eisenbahnthema um

„Noch a‘ halbe Wagenlänge“, „Halt vor der Schemelgrube“ – solche Kommandos, die einst auf dem Heilbronner Südbahnhof zur akustischen Begleiterscheinung des Tagesgeschäfts der Eisenbahner gehörten, vernimmt man heute von Kinderstimmen, aber in höchst ernsthaftem Ton, nämlich im Keller des Robert-Mayer-Gymnasiums (RMG) zu Heilbronn. Dort finden sich die Nachbildungen der beiden Bahnhöfe Heilbronn Süd und Heilbronn-Sontheim, zwar in der Baugröße HO (und HOe), aber gleichzeitig in der umgerechneten originalen Ausdehnung. Das bedeutet nichts weniger, als dass eine Bahnhofsanlage wie die des Sontheimer Bahnhofs, die in echt gut ihre 500 Meter maß, im maßstäblichen Modell immer noch auf etwa sechs Meter Länge kommt – und damit buchstäblich die Maßstäbe des gemeinen Feld-Wald-Wiesen-Modelleisenbahners sprengt, denn der hat normalerweise keine Turnhalle als Hobbyraum zur Verfügung.

Im „RMG“ ist das etwas anders, dort sind die beiden Stationen Süd und Sontheim sowie dazwischen die Streckenpartie um die massive moderne Brücke über die Sontheimer Landwehr fast komplett aufgebaut und mit dazwischen angeordneten Bogenstücken sozusagen in einen Raum hinein aufgewickelt: Weil sie nicht hintereinander stehen können, sind sie parallel aufgebaut, in Form eines großen S. Ist dort „Betriebstag“, sind Schüler verschiedener Altersklassen mit mehr oder weniger Feuereifer fachkundig bei der Sache. Und dass die Beschäftigung mit der Modellbahn das Denken in Schemata, Vorausplanung, Logistik, das Einhalten von Regeln, das Einfügen in eine Hierarchie, aber auch den abgestimmten Umgang miteinander und schließlich das schöpferische Werken fordert und anspricht, liegt auf der Hand: Dinge, die man im „richtigen“ Leben gewiss auch gut brauchen kann.

Faszinierend an der Anlage ist nicht nur die ungewohnt erscheinende Großzügigkeit der Gleisanlagen, die freilich der einstigen Realität voll entspricht. Es sind auch die genau dem Vorbild nachgebauten Stationsgebäude und Lagerschuppen mitsamt Andeutung der umgebenden Wohnhäuser. „Vorbild“ ist gut: Die Bauwerke gibt es inzwischen allesamt nicht mehr, somit bildet die Schulanlage jetzt auch eine Art dreidimensionales Minimuseum zweier markanter „Ecken“ aus dem früheren Stadtbild von Heilbronn. Dass sich auf den Gleisharfen vorbildgerechte Züge treffen, genau von der Art und den Typen, wie sie einst im Heilbronner Süden sich auf Normal- und Schmalspur tummelten, bis hin zum langen Berufsverkehrszug der Bottwartalbahn, ist Ehrensache.

Dass dies alles entstand, ist das Verdienst von Helmuth Etzler. Der damalige Physiklehrer am RMG erwog in den 1980er Jahren die Gründung einer Modellbahn-Arbeitsgemeinschaft, damit Schüler und Lehrer außerhalb der Unterrichtsstunden und der Klassenzuordnung eine entspannte Art von Projektarbeit betreiben könnten. „Mach doch was mit der Bottwartalbahn“, riet ein Lehrerkollege beiläufig. Das sagte Etzler gar nichts: Der aus Heidelberg zugezogene Pädagoge hatte zwar schon jahrelang in Sontheim gelebt, sogar in Sichtweite der damaligen Reststrecke – doch die hatte ihn bis dahin in keiner Weise interessiert. Helmuth Etzler leckte Blut, stieg mit der ihm eigenen Gründlichkeit (was wäre ein Physiker ohne sie) in das Thema ein und mauserte sich zum Experten – nicht nur was die Bottwarbahn angeht, sondern auch für die mehr als feingliedrige Arbeit mit winzigen Lokomotivmodellen, die man nur als kostspielige Feinstbausätze kaufen kann und selbst zusammenfügen muss.

Physik auf Rädern

Zunächst entstanden jedoch schrittweise die Modell-Bahnhöfe: Die einen Schüler erwiesen sich als Hobbyschreiner geschickt, um die Grundplatten zu erstellen, weitere besorgten die Umsetzung der Gebäude vom draußen aufgenommenen Maßzettel bis hin zum mehr als echt wirkenden Modell aus Pappe und Gips, authentisch eingefärbt mit allen Spuren der Verwitterung. Andere kümmerten sich um die Details, pflanzten „Bohnenranken“ aus Draht und Schaumstoff oder bevölkerten die Bahnstationen mit Mini-„Männle“. Noch heute, rund dreißig Jahre später, ist Etzler stolz auf den damaligen Gemeinschaftsgeist, den die besondere Leistung hervorbrachte: „Schließlich kann man solche Modelle nirgends kaufen.“ Für die komplizierten Gleisanlagen legte Etzler selber Hand an: „Wenn das nicht einwandfrei klappt, kommt bald keiner mehr her.“ Der Tüftler und Qualitätssicherer im Physiklehrer behielt recht: Die Weichen, von „Streckenwärter“ Etzler gut gewartet, funktionieren bis heute tadellos, und die Schüler – „leider nicht mehr meine“, wie der inzwischen pensionierte Bildungsvermittler bedauert, kommen noch immer gerne.

Brachten alle Gesamtmodule in ihrer umfangreichsten Ausbaustufe rund 35 Meter Länge zusammen, erzwang in den 2000er Jahren der Brandschutz, dass die Anlage nicht mehr im Kellerflur aufgebaut werden durfte. Schweren Herzens mussten Etzler und Getreue weit mehr als die Hälfte der Anlagenteile zu Kleinholz verarbeiten, so auch den markanten Abzweig zur einstigen Zuckerfabrik. Dafür sind heute die restlichen gut 15 Meter ständig in einem Kellerraum aufgebaut und betreibbar. Dass die Großanlage, deren Aufbau alleine einmal pro Jahre jeweils drei Stunden lang Lehrer und Mannschaft forderte, um ein Eck des Kellerganges herum abknickte, hatte damals sogar eine kuriose wie lehrreiche Folge für den „Eisenbahnbetriebsdienst“: Helmuth Etzler musste – wie in echt - eine „dienstliche“ Telefonanlage einrichten, damit der Zugverkehr organisiert werden konnte, „denn sehen konnten sich die Jungen an den beiden großen Bahnhöfen auf die Art ja gar nicht.“  Vorteil jener Einrichtung, wie sich Etzler schmunzelnd entsinnt: „Die haben so gleich lernen müssen, wie man sich rasch und vernünftig verständigt.“

Noch etwas anderes hat sich allerdings mit den Jahren geändert: „Sie würden heute mit den Klassen so eine Gemeinschaftsanlage nicht mehr hinbekommen“, wie Etzler feststellt: Die Ausdauer für solch ein Projekt, das nicht in vier Wochen fertig wird und auch nicht in vier Monaten, könne heute kaum mehr von den Jugendlichen erwartet werden. Zumal die Modellbahn heute als exotisch gelte und die Eisenbahn kaum mehr ein Berufsziel sei. Außerdem könnten etwa mit dem Begriff Bottwartalbahn längst natürlich auch die Eltern der Schüler nichts mehr anfangen. Dafür hat Etzler gespannt eine neue Erscheinung beobachtet: Er hat zum ersten Mal historische Fotos auf den Bahnmodulen aufgestellt, aufgenommen genau an den Stellen, die dort im Modell zu sehen sind. Und die Folge: „Die Buben gucken sich die Bilder an und sagen: Hoppla, das war ja wirklich so.“ Schon, dass es sich um Schwarzweißbilder handle, zeige automatisch an, dass es um etwas nicht alltägliches, sondern Vergangenes drehe: „Das wirkt wie ein Signal.“ Damit beginne dann doch für den einen oder anderen eine neue Dimension zu wirken – die der erlebbaren Geschichte. So pflanzt auch der verrentete Lehrer Helmuth Etzler spitzbübisch immer noch geistige Ströme, die sich auf junge Schüler übertragen – eigentlich kein Wunder am „RMG“, dessen Namensgeber Robert Mayer das Naturgesetz von der Erhaltung der Energie formulierte.             -upf

Heilbronn | Robert-Mayer-Gymnasium | Tag der offenen Tür am RMG 
Bismarckstraße 10 | 74072 Heilbronn
| Raum 015 (Keller)
Präsentation der Module Heilbronn Süd, HN-Sontheim und Sontheimer Landwehr
Erbaut in den 1980er Jahren von Schülern des RMG unter Lehrer Helmuth Etzler
Infoblatt (Pdf-Datei) | Zugänglich einmal pro Jahr am Tag der offenen Tür im  RMG 

 
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